22. Juni 2025 | 26. Sivan 5785
Israel-Politik der Ampel

Jahre der Zeitenwenden

Unter der Ampel-Regierung strahlten die deutsch-israelischen Beziehungen, solange schönes Wetter war. Nach dem 7. Oktober blieb die Koalition hinter dem eigenen Anspruch zurück.
Analyse | 11.04.2025

Als Olaf Scholz Anfang März 2022 erstmals als Bundeskanzler nach Israel kam, geschah dies zu Beginn der noch immer bewegten Zeiten: Russland hatte eben den Krieg gegen die Ukraine losgetreten. Israel war das neunte Land, das Scholz seit Amtsantritt Anfang Dezember 2021 besuchte. Angesichts der Entwicklungen blieb er nicht so lange wie geplant. Beim Besuch betonte er aber, es sei ihm ein „persönliches Anliegen“, trotz der Umstände relativ früh in seiner Kanzlerschaft nach Israel zu kommen.

Bei allem Ernst der Lage blieb Platz für Heiterkeit: Während der Pressekonferenz witzelte der damalige israelische Premier Naftali Bennett, dass er ja eine Regierung mit acht Parteien leite, in Deutschland seien es nur deren drei. Weiter sagte er, viele Parteien im Bündnis seien „nicht unbedingt etwas Schlechtes“, weil dabei ein breites Meinungsspektrum zum Ausdruck komme.

Der deutsche Kanzler dankte Bennett halbernst für die „Tipps zur Führung einer Koalition mit vielen Koalitionspartnern“. Doch knapp vier Monate später verkündete Bennett das Ende seiner Koalition; insgesamt hielt sie nur ein Jahr. Scholz‘ Bündnis mag im Vergleich zum israelischen rund dreimal weniger Parteien im Boot gehabt haben, sie hielt dafür aber auch dreimal länger.

Raketenschutz für Deutschland

Als eine Neuerung verkündete Scholz damals die Einrichtung eines „Deutsch-Israelischen Strategischen Dialogs“, der regelmäßig stattfinden solle. Die Partner wollen dabei Sicherheitsthemen, aber auch Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz besprechen. Bis Ende August 2023 kam es zweimal zu diesem Dialog, danach infolge des Terrormassakers vom 7. Oktober nicht mehr.

Im Verlauf seiner Kanzlerschaft besuchte Scholz zwei weitere Male Israel: Anderthalb Wochen nach dem Terrormassaker traf er Premier Benjamin Netanjahu und bekundete die Solidarität Deutschlands. Ein weiteres Mal kam er Mitte März 2024 im Rahmen einer Nahostreise.

Bereits beim ersten Besuch dürfte es um eine Entscheidung zugunsten Israels gegangen sein, bei der Scholz den Groll Frankreichs in Kauf nahm: Der SPD-Kanzler setzte beim Ausbau des europäischen Raketenschirms auf das israelische System „Arrow 3“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schwebte hingegen eine europäische Eigenentwicklung vor.

Das „Arrow 3“-System soll noch vor Ende dieses Jahres in Deutschland einsatzfähig sein und dann ausgebaut werden. Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, lobte die Auswahl in höchsten Tönen: Bei dem Schritt handele sich um eine „Zeitenwende“ im israelisch-deutschen Verhältnis, er sei ein Beispiel für die Tiefe der strategischen Beziehungen. „Zum ersten Mal wird ein israelisches System den Himmel über Deutschland und ganz Europa schützen“, sagte er Mitte August 2023.

Hohe Ansprüche

Die Ampel begann also mit israelfreundlicher Verve. Das entsprach auch dem Ansatz des Koalitionsvertrages. Dort hielten die drei Parteien die Absicht fest, gegen die Verunglimpfung Israels vorzugehen: „Wir machen uns stark gegen Versuche antisemitisch motivierter Verurteilungen Israels, auch in den Vereinten Nationen.“

Eine Gelegenheit dazu bot der Vorfall im August 2022 mit Mahmud Abbas. Im Beisein von Scholz hatte der Palästinenserpräsident vor Journalisten behauptet, Israel habe „50 Holocausts“ an Palästinensern verübt. Der verdutzte Kanzler schwieg jedoch, erst Stunden später kam die Widerrede. Offenbar hatte er so viel Dreistigkeit nicht erwartet.

In der Zeit nach dem Terrormassaker, als Israel mit weltweiter Verunglimpfung konfrontiert war, blieb die Ampel noch deutlicher hinter ihren Ansprüchen zurück. So stimmte Deutschland bei den Vereinten Nationen kein einziges Mal gegen Resolutionen, die gegen Israel gerichtet waren. Die deutsche Delegation zeigte sich höchstens ab und an zu Enthaltungen bereit.

Besonders die Resolution der UN-Vollversammlung vom 27. Oktober 2023 zum Gazakrieg ist hier bemerkenswert: Kanada hatte erfolglos versucht, eine Verurteilung der Hamas in den Text einzubringen. Auch das israelische Selbstverteidigungsrecht findet keine Erwähnung. Doch Deutschland enthielt sich der Stimme, während Länder wie Österreich, Kroatien, Tschechien und die USA den Text ablehnten.

Nach einer ähnlich gelagerten Resolution im September 2024 beklagte Botschafter Prosor schließlich den „erhobenen Zeigefinger“ der deutschen Politik. Der jüdische Staat brauche „echte Unterstützung – gerade dann, wenn Israel bei den UN dämonisiert und delegitimiert wird“.

Zahl- und Belehrmeister

Unterdessen hielt Deutschland trotz bekannter terroristischer Umtriebe an den Zahlungen an die Palästinenser fest. In den Jahren 2023 und 2024 belief sich die Summe auf 913 Millionen Euro, darunter 348 Millionen Euro für das „UN-Hilfswerk für Palästina-­Flüchtlinge“ (UNRWA). Nicht einberechnet sind hier indirekte Zahlungen, etwa über die Europäische Union oder die Vereinten Nationen.

Parallel zu den Zahlungen schlug immer wieder der deutsche Moralismus durch. Anfang 2023 meinte Scholz etwa angesichts der damaligen Terrorwelle, Israelis vor „ungezügelter Selbstjustiz“ warnen zu müssen. Dabei verwendet die Autonomiebehörde auch die Hilfsgelder aus Deutschland für die „Terror-Rente“ an die Täter, gegen die sich Israel wehrt.

Angesichts dieses Missbrauchs deutscher Steuergelder zeigte sich zuletzt der Zentralrat der Juden ungehalten. In einem Kommentar zur Bundestagswahl schrieb Präsident Josef Schuster in der „Jüdischen Allgemeinen“ am 24. Februar: „Es muss endlich Schluss sein mit dem Abfluss deutscher Steuergelder in unbekannte Strukturen, die am Ende auch zur Hamas führen. Wie diese Praxis immer noch verteidigt werden kann, ist für mich unerklärlich.“

Auch wer näher hinschaut, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Denn während die Zahlungen an die Palästinenser unproblematisch blieben, lässt sich das nicht über die Waffenlieferungen an Israel sagen: Aus Bedenken wegen der Kriegsführung hielt Deutschland diese mehrere Monate zurück –  in einer Phase, in der Israel einen Mehr-Fronten-Krieg kämpfte. Den völkerrechtskonformen Einsatz von Waffen einzufordern, ist sicherlich richtig. Die Frage steht aber im Raum, ob Deutschland nicht doch schlicht auf das Geraune der Israelfeinde reagierte und dieses damit noch verstärkte – zumal ein völkerrechtswidriger Einsatz deutscher Hilfsgelder durch die Hamas erwiesen ist.

Unglückliche Rhetorik

Die Zurückhaltung bei den Waffenlieferungen geschah laut Medienberichten auf Betreiben der beiden Grünen-Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock. Bei der deutschen Außenministerin kam noch eine unglückliche, oftmals „menschelnde“ Rhetorik hinzu. Bei aller guter Absicht fehlte es oft an analytischer Schärfe. Dabei kamen Sätze heraus wie am 15. November 2023 in einer Rede: „Der Terror der Hamas, die brutalste Gewalt, die Israel in seiner Geschichte erlebt hat. Jeden Tag zivile Opfer in Gaza.“

Wies Israel gern den Weg: Die deutsche Außenministerin Baerbock im September 2024 mit ihrem damaligen israelischen Amtskollegen Katz in Tel Aviv

So eine Reihung suggeriert, dass der Terror der Hamas auf einer Stufe stehe mit der israelischen Kriegsführung, die mit dem Umstand umgehen muss, dass die Hamas es auf zivile Opfer abgesehen hat. So sieht keine Bemühung aus, sich gegen Verurteilungen Israels starkzumachen.

Jedenfalls brachte derlei Attitüde einmal mehr Prosor auf den Plan. Als Baerbock die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen Mitte März 2025 im Gazastreifen kritisierte, erwiderte er auf der Plattform X: „Erfahrene Diplomaten wissen: Ohne Taten bleiben auch die wohlklingendsten Kommuniqués nur leere Hülsen. Wer eine Lösung will, muss an der Wurzel ansetzen und Druck auf die Hamas ausüben – denn sie ist für das Elend verantwortlich.“

Der im Koalitionsvertrag formulierte Anspruch erweist sich damit im Rückblick als Schönwetteransage. Im Härtetest, den die Zeit nach dem 7. Oktober bot, löste die Ampel ihn nicht ein. Im 60. Jubiläumsjahr der deutsch-israelischen Beziehungen ist das Verhältnis der beiden Länder um einige Schrammen reicher.

Dieser Artikel ist zuerst bei Israelnetz erschienen.

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