22. Juni 2025 | 26. Sivan 5785
Biden als US-Präsident

Israelfreund alter Schule

Für US-Präsident Biden war die Unterstützung Israels eine Selbstverständlichkeit. Seine Politik war aber auch von einer Ambivalenz geprägt, die Jerusalem Schwierigkeiten bereitete.
Analyse | 14.02.2025

Das besondere Verhältnis zwischen Israel und den USA wird bei einem Ritual augenfällig: Wenn ein US-Präsident zum Staatsbesuch nach Israel kommt, wird er nicht erst in Jerusalem empfangen. Vielmehr eilen Staats­präsident und Regierungschef zum Ben-Gurion-­Flughafen bei Tel Aviv, um ihm schon dort mit einer Zeremonie die Aufwartung zu machen.

So war es auch, als Joe Biden im Juli 2022 nach Israel kam. Diese Ehrerbietung nahm er dann aber auch mit warmen Worten auf: Biden nannte Israel bei dem Besuch sein „emotionales Zuhause“ und betonte: „Jede Gelegenheit, in dieses großartige Land zurückzukehren, wo die alten Wurzeln des jüdischen Volkes bis in biblische Zeiten zurückreichen, ist ein Segen.“

Dem Katholiken war eine Verbundenheit mit dem jüdischen Staat immer abzuspüren. Die Israelis würdigten die jahrzehntelange Unterstützung mit ihrer höchsten Auszeichnung, der Präsidentenmedaille. Die Beziehungen bekräftigten beide Seiten dann mit der „Jerusalemer Erklärung“. Sie hält unter anderem fest, dass die Unterstützung für die Sicherheit Israels „sakrosankt und überparteilich“ sei. Dazu gehöre es, „alle Elemente der nationalen Macht“ einzusetzen, damit der Iran keine Atombombe erlangt.

US-Präsident in Kriegszeiten

Dass zum Zeitpunkt seines Besuches Benjamin Netanjahu (Likud) ausnahmsweise nicht der israelische Regierungschef war, wird Biden nicht bedauert haben. Als er Vizepräsident unter Barack Obama (2009–2017) war, kam es regelmäßig zu Spannungen zwischen Netanjahu und dem Weißen Haus. Größter Zankapfel war der Atomdeal mit dem Iran, Obamas wichtigstes außenpolitisches Projekt. Der Demokrat wollte den Iran damit in die Weltgemeinschaft integrieren, Netanjahu sah darin den Weg zur iranischen Atombombe geebnet.

Der Tiefpunkt der Beziehungen lässt sich auf den März 2015 festsetzen: Der Kongress hatte Netanjahu zu einer Rede eingeladen. Darin warnte der Premier vor dem Abkommen, weil der Iran damit Gelder zur Unterstützung von Terrorgruppen wie der Hamas oder den Huthis erlange. Biden blieb damals als Zeichen des Protestes der Rede fern.

Somit ist es nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet er achteinhalb Jahre später der erste US-Präsident wurde, der Israel in Kriegszeiten besuchte. Denn es war ebenjene Hamas, die den Krieg mit dem Terrormassaker vom 7. Oktober lostrat. Dank der iranischen Gelder hatte sie inzwischen ihre Terrorinfrastruktur ausbauen können.

Verhallte Warnungen

Die Warnungen waren da: Im Jahr 2016 hatte die Hamas ihre finanziellen Anfragen an den Iran bereits „signifikant erhöht“. Das zeigt ein im Dezember 2016 verfasster Bericht des damaligen israelischen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman. Die Hamas hat sich demnach bei einem Treffen im September darauf verständigt, dass sie für eine Hochrüstung zwar noch Zeit brauche, Israel aber bis 2022 ausgelöscht sein solle. Dies sollte mithilfe von 40.000 „Kämpfern“, mit Drohnen und elektronischer Kriegsführung geschehen. Das Geheimdokument wurde nach dem Terrormassaker 2023 bekannt.

Die USA dürften ähnliche Erkenntnisse gehabt haben. Allerdings bedurfte es keiner Geheimdokumente, um die Gefahren von Hamas und Iran für Israel zu sehen. Darüber informierten die beiden Akteure regelmäßig und offenherzig – Teheran etwa zum jährlich begangenen „Al-Quds-Tag“.

Politik der Beschwichtigung

Dadurch unbeirrt versuchte Biden, den von seinem Amtsvorgänger Donald Trump ausgesetzten Atomdeal wieder auszuhandeln – letztlich ohne Erfolg. Dafür setzte er die Unterstützung für das Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) wieder ein. Deren Verbindungen zur Hamas und ihr Anteil an der Erziehung zum Israel-­Hass waren damals bereits dokumentiert und traten infolge des Terrormassakers noch offener zutage.

Die Frage, wie sich Zusicherungen für Israels Sicherheit bei gleichzeitiger Annäherung an dessen Todfeinde vereinbaren lassen, müssten viele Politiker beantworten. Im Hintergrund steht eine Politik der Beschwichtigung, wie sie im Westen in Mode ist. Damit einher geht die Neigung, Vernichtungsdrohungen als reines Säbelrassen abzutun – nicht zuletzt, weil der Westen davon noch nicht so betroffen ist wie Israel. Im Nahen Osten hat sich in den vergangenen Jahren hingegen gezeigt, dass diese Politik an ihre Grenzen stößt.

Der Unterschied der Ansätze wurde im Jahr 2022 deutlich: Damals war die Neuauflage des Atomabkommens im Gespräch. Als Reaktion darauf gründete der damalige israelische Außenminister Jair Lapid (Jesch Atid) das Negev-­Forum, ein Gemeinschaftsprojekt der Staaten des Abraham-Abkommens. Dessen Ziel ist nach den Worten Lapids die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen, etwa Wasserwirtschaft, vor allem aber die Abschreckung gegenüber dem Iran.

Lapid zählt nicht zu den „Hardlinern“ in der israelischen Politik. Aber bei der Gründung des Forums betonte auch er, in Anspielung auf die Außenpolitik Bidens, dass eine Annäherungspolitik an den Iran fehl am Platz sei. Der Weg, die Feinde zu stoppen, „ist nicht Zurückhaltung oder Versöhnlichkeit; vielmehr ist es Entschiedenheit und Stärke“.

Ambivalenter Ansatz

Auf Zurückhaltung drängten die USA Israel auch im Gazakrieg. Besonders die erste Jahreshälfte 2024 war daher von Streit geprägt, weil die USA die Lieferung benötigter Munition verschleppten. Insbesondere warnte Washington vor einem Einmarsch in Rafah, der damals letzten Bastion der Hamas, angeblich aus humanitären Gründen. Israel hatte betont, dass eine Evakuierung der Zivilisten möglich ist.

Doch für die Mahnungen dürfte es weitere Gründe gegeben haben: Laut der „New York Times“ standen die USA und der Iran im März 2024 in Geheimverhandlungen. Damals war angedacht, dass die USA Israel einen Waffenstillstand und Geiseldeal aufzwingen, dafür entginge die Hamas der totalen Zerstörung.

Erster US-Präsident, der Israel in Kriegszeiten besucht: Biden sichert Netanjahu in Jerusalem anderthalb Wochen nach dem Terrormassaker amerikanische Hilfe zu

Mit anderen Worten: Biden hätte Israel für einen Kompromiss die Möglichkeit genommen, einen Todfeind entscheidend zu schwächen. Heute steht Israel dank der famosen militärischen Erfolge in der zweiten Jahreshälfte im Nahen Osten so stark da wie lange nicht mehr. Nicht zuletzt erlangte die Armee Kontrolle über den wichtigen Philadelphi-Korridor, das Grenzgebiet zwischen dem Gazastreifen und Ägypten, über das die Hamas ihre Waffen einschmuggelte. Das hat Israel auch dem Umstand zu verdanken, nicht vor dem Drängen des Weißen Hauses eingebrochen zu sein.

Damit hinterlässt Biden ein widersprüchliches Bild: Er stand Israel in der Zeit seiner größten Not mit großem Aufwand zur Seite, zur Abschreckung der Hisbollah sandten die USA sogar Flugzeugträger in die Region. Die Unterstützung war aber gepaart mit einem fast obsessiven Willen zur Annäherung gegenüber den Feinden Israels – in der Hoffnung, sie milde zu stimmen.

Mit Biden tritt eine Generation bei den Demokraten ab, für die die Unterstützung Israels selbstverständlich war. „Man braucht kein Jude zu sein, um Zionist zu sein“, war ein Satz, den er prägte und der ihn prägte. Seine Vizepräsidentin Kamala Harris vermied es im Präsidentschaftswahlkampf, bei allen Bekundungen für die Sicherheit Israels, sich als Zionistin zu beschreiben.

Dieser Artikel ist zuerst bei Israelnetz erschienen.

Mehr zu: Israel USA Joe Biden