14. März 2025 | 14. Adar 5785
Fernsehgottesdienst aus Hamburg

Säkularisierung für Fortgeschrittene

Ein Gottesdienst mit der amtierenden EKD-Ratsvorsitzenden Fehrs zeigt einmal mehr, wie die Säkularisierung der Kirche voranschreitet. Politische Äußerungen kommen in geistlichem Gewand daher.
Kommentar | 15.07.2024

Die Verwechslung des Reiches Gottes mit politischen Gebilden hatte in der Vergangenheit fatale Folgen. Der Versuch, den Himmel auf die Erde holen zu wollen, schien eigentlich eine Sache der Vergangenheit, zumindest in Europa. Doch inzwischen lebt dieser Gedanke wieder auf; die Evangelische Kirche in Deutschland tut sich als dessen Verfechterin hervor.

Deutlich wurde dies in einer „Predigt“ der amtierenden EKD-Ratsvorsitzenden Kirsten Fehrs im ZDF-Fernsehgottesdienst am 14. Juli. Fehrs missbrauchte Bibel und Bühne, um eine politische Stellungnahme zur Einwanderungspolitik abzugeben.

Als Predigttext wurde die Stelle Epheser 2,19 nach der Genfer Übersetzung vorgelesen: „Ihr seid jetzt also nicht länger Fremde ohne Bürgerrecht, sondern seid – zusammen mit allen anderen, die zu seinem heiligen Volk gehören – Bürger des Himmels; ihr gehört zu Gottes Haus, zu Gottes Familie.“

Abenteuerlicher Gedankenweg

Der Verfasser des Briefes meint diejenigen, die zu Jesus Christus gehören, und er verwendet das Sinnbild einer Himmelsbürgerschaft analog zur weltlichen Bürgerschaft. Fehrs säkularisiert nun diesen Gedanken: Aus „Gottes Haus“ wird die Europäische Union, aus „Gottes Familie“ die „Menschenfamilie“.

So spricht sie an einer Stelle zunächst von „Gottes Haus“, leitet dann aber gleich über zur EU: Zunächst stellt sie (richtig) fest, dass „Diskriminierung und Rassismus keinen Platz in Gottes Haus haben“. Gleich darauf beklagt sie, dass das Ergebnis der Europawahl diesem Ziel entgegenstehe: Diese habe die gesellschaftlichen Trennungen deutlich gezeigt.

Für Fehrs bezieht sich die christliche Hoffnung also auf die EU und nicht etwa auf eine von Gott geschaffene Wirklichkeit. Sie wendet jedenfalls ein: „Dabei ist unser Europa bisher doch ein ziemlich grenzenfreies und demokratisches Europa, das sich zu schützen lohnt. Mit einer Grundidee darin nämlich: Die eines gemeinsamen Hauses, in dem Menschenrecht wohnt und Achtung und Herzlichkeit. Eine christliche Idee, ja Vision, denn er [Christus] ist wirklich unser Friede, der den Zaun abbricht, indem er die Feindschaft wegnimmt.“

Politik im geistlichen Gewand

Auch wenn das eine erstrebenswerte Vision ist: An dieser Stelle ist doch zu sehen, wie Fehrs ihre politische Weltsicht der Bibel aufdrückt. Denn der Verfasser des Epheserbriefes meinte die Barriere zwischen Juden und Angehörigen anderer Völker, die in Christus (!) aufgehoben sei. Er macht keine politische Aussage. Dem entgegen sind für Fehrs hier aber alle (!) Menschen gemeint, unabhängig von ihrer Religion. In diesem Sinne beklagt sie, dass viele Menschen fragten: „Gehört die oder der wirklich zu uns? Mit ihrer anderen Hautfarbe oder mit seiner anderen Religion und Kultur?“

Fehrs stellt anhand dieser Fragen fest, dass wir in einer „Argwohn-Gesellschaft“ lebten, „die immer mehr Grenzen zieht“. Dann macht sie deutlich, was sie dem entgegensetzen will: „Friede ohne Grenzen. Eine Welt, in der alle ein Recht auf Heimat haben – wo auch immer.“

Unpassende Vorwegnahme

Auch hier ist zu sagen: Das ist kein geistlicher Gedanke, sondern ein politisches Plädoyer, und zwar für Grenzöffnungen ohne Kontrollen. Fehrs setzt dabei voraus, dass keine Menschen kommen, die böse Absichten hegen. Sie tut damit so, als ob das Reich Gottes schon volle Wirklichkeit wäre.

Der Staat kann sich diese naive Haltung aber nicht leisten. Er muss vorerst einer sündigen Welt Rechnung tragen und genau die Frage stellen, die Fehrs missbilligt: „Gehört die oder der wirklich zu uns?“

Wenn der Staat diese Frage stellt, handelt er nicht antigöttlich, sondern kommt nur seiner vornehmsten Aufgabe nach: Seine Bürger vor möglichen Gefahren zu schützen. Das ist noch keine „Abschottung“ – dieses Schlagwort verwendete Fehrs, um damit Kontrollen und Grenzen zu diskreditieren. Denn die Frage kann durchaus mit „Ja“ beantwortet werden; in manchen Fällen aber eben nicht.

Politik im geistlichen Gewand

Besonders perfide ist, dass Fehrs ihr politisches Plädoyer in einer Predigt vorträgt und ihm damit geistliche Weihen verleiht. Wer das anders sieht, ist damit nicht nur ein Mensch mit einer anderen Meinung, sondern steht faktisch dem göttlichen Willen entgegen.

Mehr noch: Mit so einer Sicht geht es der EKD nicht (mehr) um die biblische Hoffnung auf ein Kommen des Reiches Gottes. Die Hoffnung zielt darauf, dass ein Staat wie Deutschland oder eine Staatenorganisation wie die Europäische Union zum Reich Gottes wird.

Kuriose Predigt

Beim Fernsehgottesdienst waren auch weitere interessante Beobachtungen zu machen: Fehrs hielt die Predigt zusammen mit Peter Sorie Mansaray, Pastor beim Afrikanischen Zentrum in Hamburg. Die beiden redeten bei Lichte betrachtet aber aneinander vorbei. Denn während Fehrs als Politikerin auftrat, hielt sich Mansaray weitgehend an den Bibeltext. Er betonte immer wieder, dass Christus die Einigkeit schenke und es sich dabei um „Gottes Haus“ handelt, also eine geistliche, keine politische Wirklichkeit.

Auch zwei Mitglieder des Afrikanischen Zentrums zeigten mehr Bibelverständnis als die Kirchenchefin: Die beiden jungen Frauen mit afrikanischen Wurzeln betonten zum Anfang des Gottesdienstes, dass sie zwar von unterschiedlichen Kulturen geprägt seien, doch zuallerst würden sie sich als Christen verstehen. Eine sagte dann weiter: „Durch Jesus Christus sind wir eine Einheit. Er verbindet uns. Und darum können wir in unserer Gemeinde ganz selbstverständlich sagen: Ich bin hier zuhause – und Du auch“ – letzterer Satz war das Leitmotiv des Gottesdienstes.

Dieser war als „internationaler Gospelgottesdienst“ konzipiert und entsprechend schwungvoll. Die Kirchengemeinde St. Georg tat sich hier mit dem Afrikanische Zentrum zusammen, die Kooperation besteht bereits seit mehreren Jahren. Und wenn Fehrs nicht das Wort ergriffen hätte, wäre es eine rundweg gelungene Veranstaltung geworden.

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