Wer etwas für eine faire Behandlung Israels übrig hat, ist versucht, dieses Wochenende als „historisch“ einstufen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Eröffnung der Documenta 15 in Kassel betont, dass es mit Blick auf den jüdischen Staat auch in der Kunst Grenzen gebe: „Wo Kritik an Israel umschlägt in die Infragestellung seiner Existenz, da ist eine Grenze überschritten“, sagte er. Den Boykott Israels in der Kunstwelt, besonders bei den Kuratoren der Documenta aus Indonesien, sieht Steinmeier dabei als einen Ausdruck von „Existenzverweigerung“.
Dieser Vorstoß ist in seiner Deutlichkeit löblich. Zur Rolle eines Bundespräsidenten gehört es, den „Geist“ eines Landes mithilfe von Reden dieser Art mitzuprägen – wenn dazu die Absage an Boykott und Bedrohung gegen Israel gehört, umso besser. Dass die Worte aber auch die gewünschte Wirkung erzielen, hängt an der Person, die sie ausspricht – und im Falle Steinmeiers gibt es hier Fragezeichen.
Denn der SPD-Politiker ist nicht nur Bundespräsident, sondern auch ehemaliger Außenminister Deutschlands. Ein Außenminister, der im Jahr 2015 von regelmäßigen Grenzüberschreitungen des iranischen Regimes mit Blick auf das Existenzrecht Israels nichts wissen wollte. Vielmehr setzte er seine Unterschrift unter einen Atomdeal, der dem Iran durch die Aufhebung von Sanktionen Milliarden an US-Dollar bescherte. Wer sich durch Steinmeiers Worte in seiner Kunstfreiheit eingeschränkt sieht, wird sich zu Recht fragen, warum diese Grenze damals keine Rolle spielte.
Eine Ironie ist es, dass sich ausgerechnet an dem Wochenende, an dem Steinmeier sprachlich Grenzziehungen für die Kunstwelt vornimmt, die Gefahr für Israelis durch den finanziell ermächtigten Iran noch einmal erhöht hat. Denn dieser sieht es inzwischen auch auf Touristen ab. So musste Israel seine Staatsbürger auffordern, die Türkei umgehend zu verlassen. Die Gefahr eines Anschlags oder einer Entführung besteht auch in anderen Ländern wie Ägypten.
Angesichts dieser Entwicklungen bleibt das schale Gefühl, dass Deutschland Israel gerne in Schutz nimmt, wenn es nicht sonderlich wehtut, wie etwa in der Welt der Kunst. Anhand der Person Steinmeiers lässt sich lernen: So gut und richtig Worte eines Bundespräsidenten sein mögen, sie sollten nicht davon ablenken, dass die Musik woanders spielt. Historisches Gewicht hat das Handeln der Bundesregierung – sei es bei Abstimmungen in den Vereinten Nationen oder bei den aktuell laufenden Neuverhandlungen zum Atomdeal mit dem Iran.
Dieser Artikel ist zuerst bei Israelnetz erschienen.