Der Angriff Russlands auf die Ukraine offenbart nicht nur den skrupellosen Willen zur Macht eines Wladimir Putin. Er verdeutlicht auch die unglaubliche Naivität der westlichen Politik. Darin sind sich fast alle Beobachter einig. Der Glaube, mit Putin in den Dialog treten zu können, war eine krasse Fehleinschätzung. Das besonders in Deutschland beliebte Verhandeln wurde „bis ins Perverse“ („Spiegel“) betrieben. Zugleich wähnte die deutsche Bundesregierung unter Angela Merkel, auf militärische Druckmittel verzichten zu können und rüstete die Bundeswehr ab.
Die Ukrainer bezahlen nun für diese Naivität, viele mit ihrem Leben. Während das wirkliche Ausmaß dieser politischen und menschlichen Katastrophe noch längst nicht feststeht, lassen sich schon jetzt wichtige Schlüsse ziehen. Denn Deutschland und Europa sind nicht nur mit Blick auf Russland blauäugig gewesen. Die nukleare, ballistische und terroristische Bedrohung durch den Iran wird in europäischen Hauptstädten ebenfalls unterschätzt.
Dabei hat der Iran in den vergangenen Jahren seinen skrupellosen Willen zur Macht im Nahen Osten demonstriert: Eine Hauptstadt nach der anderen geriet unter den Einfluss Teherans. Israel ist an fast allen Grenzen durch Terrorgruppen bedroht, die Unterstützung aus dem Iran erhalten, und auch durch iranische Milizen. Ermöglicht wird das durch die Milliardeneinnahmen, die der Iran infolge des Atomdeals und der Lockerung der Sanktionen erhalten hat.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte in der Rede nach seiner Wiederwahl am 10. Februar deutliche Worte in Richtung Russland gefunden: „Ich appelliere an Präsident Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine!“ Schön wäre es gerade für einen deutschen Bundespräsidenten gewesen, wenn er sich in dieser Weise auch einmal an den Iran gewandt hätte: „Ich appelliere an Präsident Raisi: Lösen sie die Schlinge um den Hals Israels!“ Stattdessen verhandelte Steinmeier als Außenminister eifrig beim Atomdeal von 2015 mit. Noch im Jahr 2019 gratulierte er als Bundespräsident zum Jahrestag der Islamischen Revolution, um – na klar – „tiefergehende und kritische Gesprächskontakte“ möglich zu machen.
Wenn Deutschland aus dem Russland-Desaster lernen will, dann muss es nun auch skeptischer auf Teheran blicken. Aktuell verhandeln der Iran, Russland, China und westliche Länder in Wien über die Wiederaufnahme des Atomdeals. Deutschland könnte fordern: Bevor der Iran nicht aufhört, mit der Vernichtung Israels zu drohen, bevor der gruselige Al-Quds-Tag nicht abgeschafft wird, auf dem diese Drohungen alljährlich zu hören sind, gibt es keinen Atomdeal, sondern Sanktionen. Das mag Deutschland wirtschaftlich schaden. Doch wie hatte Außenministerin Annalena Baerbock es mit Blick auf die Ukraine formuliert? „Frieden und Freiheit in Europa haben kein Preisschild.“ Gilt dies auch für die Existenz Israels?