Über die merkwürdigen Umstände der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar sind schon viele Worte gefallen. Die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland haben in einigen kritischen Berichten das Vergabeverfahren und die Verletzung von Menschenrechten angeprangert; die Spiele zeigen sie dennoch. Und selbst wenn es die Missstände nicht gäbe, bliebe immer noch ein Fragezeichen hinter dem Sinn einer WM in einem Land ohne eine relevante Fußballkultur.
Wie sollen sich Fußball-Fans und Gelegenheitszuschauer also zu dem Sportereignis verhalten? Einfach abschalten? Das wäre eine Möglichkeit. Aber wie konsequent wäre das? Millionen von Fans verfolgen die Spiele des französischen Vereins Paris Saint-Germain, der seit 2011 in katarischem Besitz ist. Ebenso erfreut sich der FC Bayern weltweiter Beliebtheit; einige Vereinsmitglieder empörten sich zuletzt aber unter Verweis auf die Lage der Menschenrechte über Finanzspritzen aus dem Golfstaat. Bislang ist kaum einer auf den Gedanken gekommen, abzuschalten, wenn die Spiele dieser Vereine über den Bildschirm flimmern.
Und dann wäre da noch die Politik: Hat Katar zuletzt nicht auch eine positive Rolle in der Region gespielt? Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz würdigte erst vor wenigen Monaten den diplomatischen Beitrag Dohas nach der Militäroperation „Morgendämmerung“ gegen terroristische Infrastruktur – ein seltenes Lob aus Israel. Mit dem Ziel eines Waffenstillstandes wirkte Katar neben Ägypten erfolgreich auf die Terror-Organisation Hamas ein. Doha war dazu in der Lage, weil es den Gazastreifen in den vergangenen Jahren finanziell massiv unterstützte – zuletzt auch mit einem Mechanismus, der den Missbrauch der Gelder verhindern soll. Zählen diese Entwicklungen gar nichts?
Natürlich tun sie das! Klar ist aber auch, dass das Engagement in Fußball und Diplomatie dem Ziel dient, den eigenen Ruf zu verbessern und von bestehenden Missständen abzulenken. Im Bereich des Sports ist das Phänomen als „Sportswashing“ bekannt. Auch hinter den diplomatischen Bemühungen steht Eigennutz: Den Kataris ging es nicht zuletzt darum, weitere Schäden an der Infrastruktur im Gazastreifen zu verhindern, die mit eigenen Geldern aufgebaut wurde. Nach wie vor beherbergt und fördert Doha allzu gerne Hamas-Terroristen. Den Staat Israel hat Katar immer noch nicht anerkannt; dass Israelis überhaupt zur WM anreisen dürfen, war nur mit einer Sondererlaubnis möglich.
Der Weltfußball-Verband FIFA und Katar möchten, dass die Welt mit Blick auf Menschenrechtsverletzungen und andere Schäbigkeiten ein Auge zudrückt. Besser wäre es, anstatt dessen alle verfügbaren Augen vor den Spielen zu verschließen. Die WM ist dafür die richtige Gelegenheit, denn sie markiert den absurden Höhepunkt des „Sportswashing“. Die von Katar erhoffte Strahlkraft beruht auf Reichweite, und hier haben die Fans ein Wort mitzureden: Wer von der Übertragung der Spiele absieht, kann zeigen, dass der schöne Schein irrelevant ist und nur echte Verbesserungen zählen. Verzicht ist die richtige Antwort auf ein unsägliches Schauspiel.
Dieser Artikel ist zuerst bei Israelnetz erschienen.