15. März 2025 | 15. Adar 5785
Äußerung zur Corona-Politik Israels

Der naive Antisemitismus des Sucharit Bhakdi

Dass der „Fall Bhakdi“ nun doch weiter juristisch behandelt wird, ist eine gute Nachricht. Besser wäre es, wenn Bhakdi seine anti-jüdischen und anti-israelischen Äußerungen zurücknähme.
Kommentar | 27.11.2021

Dass der Antisemitismus in der Gegenwart vielfältige Formen annimmt, ist keine Neuigkeit. Neben dem religiösen, rassistischen, anti-israelischen gibt es noch den naiven Antisemitismus, der oft unterbelichtet bleibt. Ein Beispiel für diese Form dürften die Aussagen des Impfgegners Sucharit Bhakdi über Israel und „die Juden“ sein.

Die Worte Bhakdis gingen zwar durch die Medien, hier seien sie aber nochmals in Erinnerung gerufen. Im April dieses Jahres sagte er zur Impfpolitik in Israel: „Das Volk, das geflüchtet ist aus diesem Land, aus diesem Land, wo das Erzböse war, und haben ihr Land gefunden, haben ihr eigenes Land in etwas verwandelt, was noch schlimmer ist, als Deutschland war. (…) Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt. Deshalb ist Israel jetzt living hell – die lebende Hölle.“

Sprachbewusstsein als Bürgerpflicht

Was Bhakdi da sagte, klingt schauerlich und ist dem Wortlaut nach nichts anderes als Antisemitismus. Zugleich darf man in Erwägung ziehen, dass er es nicht meinte, wie er es sagte. Der Kontext der Aussage legt nahe, dass er schlicht die Corona-Politik Israels kritisieren wollte. Sein bekanntes Credo ist, dass Impfungen der falsche Weg sind; um Gehör zu finden, haut er sprachlich drauf. Wie er diese scharfe Kritik aber mit Israel und den Juden verbindet, muss dann als „naiver Antisemitismus“ gelten: In der Aussageabsicht mutmaßlich arglos, in der Wortwahl inakzeptabel. Sowohl Juden als auch der Staat Israel werden verunglimpft, ja dämonisiert.

Gerade in einem Land wie Deutschland, mit seiner antisemitischen Geschichte und Gegenwart, ist auch ein naiver Antisemitismus durch nichts zu entschuldigen. Wer hier lebt, ist verpflichtet, eine entsprechende Sensibilität zu zeigen, gerade in der Wortwahl. Das gilt umso mehr für die Bildungselite, zur der Bhakdi kraft seines Professorentitels zu rechnen ist. Wer über Jahre an der Universität lehrt, sollte sich über die Wirkung von Sprache im Klaren sein. Und das gilt noch viel mehr für einen Mann, dessen Zuhörer sich mitunter Gelbe Sterne anheften, um mit diesem kruden Vergleich mit der Nazizeit ihren Protest gegen Impfungen zu bekunden.

Wert der Debatte

Dass die Kieler Staatsanwaltschaft vor diesem Hintergrund keine Volksverhetzung erkennt, wenn Bhakdi Israel in aller Öffentlichkeit als „schlimmer als Nazideutschland“ bezeichnet, ist so gesehen befremdlich. Gut, dass die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig das Urteil als „rechtlich zweifelhaft“ einschätzt und den Fall übernimmt.

Zu beachten ist dabei allerdings auch, dass nicht alles, was danach klingt, gleich strafwürdige Volksverhetzung ist. Zentral ist die Frage, ob der öffentliche Friede gefährdet wird. Ansonsten lässt die Gesetzeslage in Deutschland viel Meinungsfreiheit zu, auch bei Holocaust-Relativierung. In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 heißt es: „Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes setzt vielmehr darauf, dass solchen Äußerungen, die für eine demokratische Öffentlichkeit schwer erträglich sein können, grundsätzlich nicht durch Verbote, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten wird.“

Tatsächlich wäre es anstatt eines Urteils gegen Bhakdi besser, wenn es zu einer öffentlichen Auseinandersetzung kommt, an deren Ende Bhakdi sich für seine Aussagen entschuldigt, diese zurücknimmt und versachlicht. Dass würde bei den Vernünftigen unter seinen Zuhörern mehr Eindruck hinterlassen; ein Urteil gegen Bhakdi würde eher Verschwörungstheoretiker auf den Plan rufen. Noch hat er die Möglichkeit zu zeigen, dass er sich seiner Verantwortung bewusst ist – und dass er für seine Thesen werben kann, ohne auf anti-jüdische und anti-israelische Wortwahl zurückzugreifen.