Die amerikanische demokratische Abgeordnete Ilhan Omar hat sich erst vor wenigen Wochen mit der Aussage verrannt, amerikanische Unterstützung für Israel sei nur durch eine finanzstarke Lobby erklärbar. Nach erheblicher Kritik an dem Tweet entschuldigte sie sich, wenn auch widerwillig.
In einem Gastbeitrag für die „Washington Post“ hat sie sich am Sonntag erneut zu Israel geäußert. In dem Text geht es eigentlich recht allgemein um amerikanische Außenpolitik. Omar vertritt ein nachvollziehbares Anliegen: Geht es um Menschenrechte, müssen die USA Freund wie Feind gleich behandeln: Saudi-Arabien etwa müsse bei Verstößen ebenso kritisiert werden wie etwa der Iran.
So weit, so gut. Nun will Omar diesen „universalistischen“ Zugang aber auch auf den israelisch-palästinensischen Konflikt anwenden. Und hier knirscht es im Gebälk: Einerseits legt sie sich historische Fakten so zurecht, dass am Ende eine scheinbare „Gleichbehandlung“ entsteht. Dann wiederum verzichtet sie gerne mal auf ihr universalistisches Prinzip, wenn sich daraus ein Nachteil für die Palästinenser ergibt.
So gesteht sie an einer Stelle erst zu, dass die Region das historische Heimatland der Juden ist. Gleich im nächsten Absatz spricht sie ebenso vom historischen Heimatland der Palästinenser. Es so darzustellen ist aber Unfug: Die Palästinenser sahen sich erst ab Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre als Volk, während Juden auf eine 3.000-jährige Geschichte zurückblicken. Universalismus kann nicht bedeuten, Geschichte verzerrt darzustellen, nur um dann eine „historische Gleichrangigkeit“ behaupten zu können.
Wohl zum Zwecke der „Gleichrangigkeit“ musste Omar auch die palästinensische „Flüchtlingskrise“ ansprechen, die nur durch einen Staat für die Palästinenser gelöst werden könne. Denn, so betont Omar, auch einige der Staatsgründer Israels waren ja Flüchtlinge. „Und ohne Staat leben die Palästinenser ständig als Flüchtlinge und Vertriebene.“
Doch auch hier scheitert die Theorie an der Wirklichkeit: 19 Jahre, von 1948 bis 1967, hatten die im Westjordanland lebenden Araber Zeit, dort einen Staat zu gründen. Warum es dazu nicht kam, sollte sich Omar mal erklären lassen – sofern sie diese Frage überhaupt zulässt. In ihr Konzept scheint sie nicht zu passen.
Interessanter ist aber der Umstand, dass bei allem Eifer für Universalismus eine kleine „Besonderheit“ keine Erwähnung findet: Als einziges Volk der Welt haben die Palästinenser mit der UNRWA eine eigene Flüchtlingsorganisation. Und als einziges Volk der Welt können sie ihren Flüchtlingsstatus vererben. Würde es Omar wirklich um Gleichbehandlung gehen, hätte sie hier einen guten Anlass, etwas kritisch anzusprechen.
Apropos ansprechen: Ein weiterer Aspekt in ihrem Gastbeitrag lässt Zweifel daran aufkommen, wie ernst ihr die „Gleichbehandlung“ im Falle dieses Konfliktes tatsächlich ist: Zuerst behauptet sie, dass „jeder“ für Taten verantwortlich gemacht werden müsse, die einem Frieden entgegenstehen. Tatsächlich erwähnt werden dann aber nur die „israelischen Regierungsaktionen“ im Gazastreifen und Westjordanland. Warum finden palästinensische Terrortaten, durchaus gebilligt von der „moderaten“ Autonomiebehörde, keine Erwähnung? Was hält Omar davon ab, auch von den Palästinensern explizit Verantwortung einzufordern? Ist das der „ausgewogene Zugang“ zum Konflikt, den Omar fordert?
Der Gedanke des Universalismus scheint edel und mutig. Doch wer ihn so auf den israelisch-palästinensischen Konflikt anwendet, wie Omar es tut, macht sich unglaubwürdig. Sie scheint eher einem gängigen Prinzip zu folgen: Wenn die Wirklichkeit nicht mit der Theorie übereinstimmt, umso schlimmer für die Wirklichkeit. So eine Haltung ist selbst bei Philosophen fragwürdig. Politiker aber sollten sich tunlichst an der Wirklichkeit orientieren.